4.2.5.2. Die Gebirgsfestung Fenestrelle (Militärfestung)
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Übersicht :
Nur wenige Leute wissen, dass die Festung Fenestrelle, die grösste Gebirgsfestung Europas ist. Die Festung befindet sich an strategisch wichtiger Lage, im Val Chisone - welches früher eine wichtige Transitroute zwischen dem Herrschaftsgebiet der Franzosen und jenem der Piemontesischen Könige war.
Die lange Mauer, die im inneren eine durchgehende Treppe aufweist, hat eine Fläche von 1300m2, ist 2 km lang und überwindet einen Höhenunterschied von 600Hm! Die Bauarbeiten an diesem beeindruckenden Komplex - der von Vittorio Amadeo II in Auftrag gegeben wurde - dauerten von 1728 bis 1850.
Dieses monumentale Bauwerk wurde leider über viele Jahrzehnte dem Verfall, ja sogar Bestrebungen es zu schleifen, sowie Vandalismus und Plünderungen unterworfen. Nach dem zweiten Weltkrieg verlangte etwa Frankreich vom unterlegenen Italien, dass sämtliche Festungsbauwerke an den gemeinsamen Grenzen abgebrochen und zerstört werden müssten. Nur das sprichwörtliche "Dolce far Niente" der Italiener verhinderte, dass noch mehr von der ursprünglichen Bausubstanz vernichtet und abgetragen worden ist. Zudem ist die Festung dermassen riesig und weitläufig, dass ein Totalabbruch ein riesiges Bauvorhaben bedeutet hätte - man denke nur dass die Bauarbeiten für die Festung schon 120 Jahre gedauert haben!
Erst 1984 begann sich das Ministerium für Kulturgüter für dieses gewaltige Werk zu interessieren. Die Dächer der Kirche und des Gouverneurspalastes wurden restauriert. Seit 1990 kümmert sich eine Freiwilligen-Organisation (Associazione Progetto San Carlo - Forte di Fenestrelle), um den Erhalt und die Restauration dieser weitläufigen Anlage.   Mit deren Tatkraft und dank der Unterstützung durch einige private und öffentliche Institutionen hofft man das Erbe bewahren zu können.
Forte Carlo Alberto
Eines der seltenen historischen Fotos, aus dem Jahre 1865
Aufnahme von Pietro Santini
Festungsgeschichte:
Forte Carlo Alberto
Antike Postkarte der Feldschanze Carlo Alberto -
den unteren Abschluss der Festung.
Foto von der Homepage der Gemeinde Fenestrelle.

Im Jahre 1694 befahl Ludwig XIV (der Sonnenkönig), auf Anraten seines Generales Nicola Catinat den Bau einer Feste in Fenestrelle. Dieses Gebirgsdorf gehörte Frankreich schon seit mehreren Jahrhunderten. So wurde mit dem Bau der Festung Mutin begonnen. Diese erste Festung stand auf dem rechten Ufer des Flüsschens Chisone, befand sich aber nicht lange in französischem Besitz. Im Jahre 1708 wurde die Festung, nach einer 15 Tage dauernden Belagerung, von Vittorio Amedeo II eingenommen. Durch den 1713 geschlossenen Vertrag von Utrecht, wurde das Val Chisone - und damit auch die Festung Mutin - piemontesisch.
In den 20-er Jahren des 18. Jh. veranlasste der sardische König den Bau einer neuen Festung, da das bisherige Verteidigungssystem ungenügend war. Im Auftrag Amadeo`s II begann der Ingenieur Ignazio Bertola mit dem Bau eines befestigten Komplexes, welcher drei Burgen enthielt.
Diese drei Wehrbauten - San Carlo, Tre Denti, Delle Valli - wurden ergänzt durch drei Feldschanzen - Carlo Alberto, Santa Barbara und Delle Porte. Zusätzlich wurden zwei Batterien - Dello Scoglio und Ospedale - errichtet. Die gesamte Anlage wurde mit einer durchgehenden Mauer verbunden, in welcher eine überdeckte Treppe (Scala Coperta) mit total 4000 Stufen, den Berg hinaufführt.

Die ersten Skizzen datieren vom 8. Oktober 1727 und sind von Ing. Bertola signiert. Diese Niederschriften beschreiben unter anderem, die Pflichten der Impresarii, die Herkunft der Materialien, sowie die Mühen und zu erwartenden Probleme der auszuführenden Arbeiten. Die eigentlichen Bauarbeiten begannen dann im Jahr 1728, oben auf der Spitze des Berges Pinaia (ein Ausläufer des Orsiera). Man erbaute die drei Feldschanzen (Elmo, Sant'Antonio und Belvedere), die zusammen die Burg Delle Valli bildeten. Dann wurde die Burg Tre Denti erbaut, welche auf den Grundmauern der eroberten französischen Festung errichtet wurde. Zuletzt - im Jahre 1731 - begannen die Arbeiten an der Burg San Carlo. Vittorio Amadeo II konnte nur einen kleinen Teil der Arbeiten selber beaufsichtigen, welche er in Auftrag gegeben hatte. Er dankte im Jahr 1730 ab und betraute seinen Sohn Carlo Emanuele III, mit der Fortsetzung der Bauarbeiten. 
Fenestrelle
Festung Fenestrelle - die gesamte Anlage überwindet 600Hm.
Ansichtskarte von Fotolito Mac Media - sgsm.it
Die Burg San Carlo:
Forte San Carlo
Der untere Teil der Festung - das Fort San Carlo. Gut zu erkennen die strategisch hervorragende Lage der Festung.
Postkarte von Fotolito Mac Media, Pinerolo
gouverneurspalast
Der Gouverneurspalast - die Drehscheibe innerhalb der Festung
Foto aus dem offiziellen Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Diese Feste bildet sozusagen das Zentrum, oder das Herz, der gesamten Anlage. In ihr befinden sich die wichtigsten Gebäude - so der Gouverneurspalast, der Offizierspavillon, die Kirche und drei militärische Quartiere. Direkt unter der Turmuhr, neben dem Seiteneingang der Burg, beginnt auch die gedeckte Treppe, die dem Bergrücken entlang - innerhalb der Mauer bis auf die Spitze der Anlage führt. Zahlreiche Nebenbauten und Magazine, sowie das Pulverhaus (Sant'Ignazio) und das Königstor ergänzen die Burg.
Der Gouverneurspalast war die neuralgische Drehscheibe der Festung Fenestrelle. Während der Erbauung schenkte man darum dessen Sicherheit grosse Beachtung. So wurden doppelte Mauerstärken errichtet und bombensichere Gewölbe erstellt. Die Tragmauern weisen einen Durchmesser von 2.5m auf und die Eisengitter welche die Fenster schützten sind 4cm stark. Um dem rechteckigen, wuchtigen Gebäude, welches drei Stockwerke aufwies, ein wenig von seiner Strenge zu nehmen, wurde ein kleiner Laubengang erstellt und die Fenstergewände mit schönen Simsen verziert. Das Innere des Palastes besteht aus vielen Sälen, welche allesamt mit einem Kamin ausgestattet sind - schon immer wollten es die kommandierenden Herren etwas bequemer haben, wenn sie ihre Truppen in die Schlacht sandten. Der Saal des kommandierenden Obersten verfügte sogar über eine angrenzende, eigene Küche. Die Familie des Kommandanten wohnte in der Regel im 2. Stock des Palastes.
Der Offizierspavaillon ist einer der letzten Gebäude, die errichtet wurden. Er wurde zwischen 1780 und 1789 nach den Plänen von Graf Lorenzo Bernardino Pinto, erbaut. Der Graf Pinto hatte nach dem Tode von Ing. Bertola die Aufsicht über die Bauarbeiten übernommen. Dieses Gebäude verfügt ebenfalls über ausserordentlich starke Mauern und abgesehen vom verzierten Eingang zum Exerzierplatz hin, fehlt ihm jeglicher künstlerischer Schmuck. Der Offizierspavaillon verfügt über 44 Räume, welche auf fünf Etagen verteilt sind. Zudem ist das Gebäude unterkellert. Nur ein kleiner Teil des Gebäudes wurde ausschliesslich von den Offizieren benutzt. Der Rest wurde von Gefangenen - meist Soldaten unter Arrest, belegt. Einige prominente Gefangene waren im Laufe der Jahre in diesen Gewölben untergebracht - so z.B. der Kardinal Pacca, oder der Fürst Dal Pozzo della Cisterna. Der Kardinal, welcher der Sekretär von niemand geringerem als von Papst Pio IX war, wurde zusammen mit anderen Prälaten, von 1809 bis 1813 hier gefangen gehalten. Er schrieb hierzu in seinen Memoiren: "die Verbannung in die Festung Fenestrelle schrak die Leute in Italien, wie jene nach Sibirien die Leute von Nordeuropa".
Der Pavillon hatte - wie jede grössere Wehrbaute - eine eigene Küche, sowie eine Speisekammer, um auch eventuellen Belagerungen widerstehen zu können. Im Kellergewölbe gab es zudem einen eigenen Schachtbrunnen, woraus Trinkwasser aus dem unteren Reservoir geschöpft werden konnte. Es gab zwei riesige miteinander verbundene Wasserreservoirs, von welchen jedes über 100`000 Liter zu fassen vermag. Diese beiden Reservoirs waren ausschliesslich für den Bedarf der Burg San Carlo vorgesehen.
offizierspavillon
Der Offizierspavillon - ein wuchtiges Gebäude ohne viel Zierrat
Foto aus dem offiziellen Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
kirche
Die Kirche der Festung - kein religiöses Gebäude in einer europäischen Gebirgsfestung verfügt über solche Ausmasse.
Foto aus dem offiziellen Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Die Kirche in der Festung San Carlo, ist das einzige Gebäude, welches in einem geringen Umfang über künstlerischen Schmuck verfügt. Die Ornamente wurden aber möglichst einfach gestaltet, man hat sich an der Strenge der anderen Gebäude orientiert. Das genaue Datum ihrer Erbauung ist unbekannt, ebenso wer für die Planung verantwortlich zeichnete. Sicher ist hingegen, dass sie noch im zweiten Weltkrieg als Lager für Munition und Sprengkapseln benutzt wurde.
Das Gebälk der Kirche ist einfach und wird im Zentrum von einem dreieckigen Giebel überragt. Die Innenseite ist von drei Schiffen gekennzeichnet, von welchen aber nur die seitlichen über so genannte Segelgewölbe verfügen. Über dem zentralen Kirchenschiff wurde das Gewölbe nie erbaut. Über der Apsis gibt es noch heute eine schöne gemauerte Halbkuppel, welche vom Zerfall verschont geblieben ist.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Kellergewölbe ebenfalls mit kleinen Arrestzellen versehen und ein Ausgang auf einen kleinen Innenhof erstellt. Hier wurden die gefährlichen Sträflinge gefangen gehalten. Eine 25m lange Leitung, welche an den Stützmauern der Kirche entlang zu einem weiteren Gewölbe - dem Morgue - führt, wurde benutzt um die gefallenen Soldaten in den Morgue zu werfen. Man versuchte damit die Seuchengefahr einzudämmen.

Die Mannschafts-Quartiere bestehen aus drei langen Gebäuden, welche jeweils 10 Meter lang sind und über drei Stockwerke verfügen. Sie sind übereinander am Hang angeordnet und verfügen über einen steinernen Balkon an der Längsseite. Auch in diesen Gebäuden wurden ab dem 19. Jh. Gefängniszellen eingerichtet - und zwar in den Kellergeschossen, denn da war es feuchter und somit ungesünder für die Inhaftierten. Es scheint eine Menge Arrestanten gegeben zu haben, dass beinahe jedes Gebäude über Arrestzellen verfügt hat.
mannschaftsquartier
Die Mannschaftsquartiere
Foto aus dem offiziellen Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Pulvertuermchen
Der Blitzableiter des Pulverhauses zu sehen - das Pulvertürmchen.
Foto aus dem offiziellen Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Das Pulverhaus Sant'Ignazio - das wichtigste der gesamten Festung, steht neben den Mannschaftsquartieren und hat seinen Namen vom ersten Ingenieur der Anlage, von Ignazio Bertola. Um die Pulvervorräte und die benachbarten Gebäude zu schützen, verfügt das Pulverhaus ebenfalls über sehr dicke Aussenmauern. Um den Kern des Gebäudes verlief ein schmaler Hohlraum, um das empfindliche Pulver vor Feuchtigkeit zu schützen. Zudem war der Gebrauch von metallenen Gegenständen, wie Verschlüssen, Scharnieren, Ringen, Ketten oder Befestigungsnägeln verboten, um den gefährlichen Funkenflug zu vermeiden.
Das Gebäude verfügte über einen Blitzableiter. Auf dem Dach eines jeden Blitzableiters, waren 4 Eisenpfähle befestigt, welche 5-6 Meter lang waren. Diese waren über eine Kupferschnur mit dem Wassergefüllten Türmchen auf dem linken verbunden. Am Ende dieser Kupferschnur war eine Kupferkugel befestigt welche im Wasser lag. So konnte sich jeder Blitz gefahrlos im Wasser entladen und so verhinderte man den gefürchteten Funkenflug im Pulverhaus.
Da in der Festung keine Anzeichen für eine Pulverpresse gefunden wurden, geht man heute davon aus, dass das Pulver bereits gemahlen und gemischt in die Festung gebracht wurde. 1865 wurde das Pulverhaus nochmals verstärkt und eine neue bomben- und feuersichere Decke eingebaut, welche über eine Bitumenabdeckung verfügt und von einer 2.0 Meter starken Erdschicht bedeckt ist.
Das so genannte Königstor - welches sich auf der piemontesischen Seite der Anlage befand, war ausschliesslich Adligen, Botschaftern und anderen hochgestellten Besuchern vorbehalten. Alle anderen mussten den "normalen" Eingang auf der savoyischen Seite benutzen. Das Königstor ist in einem dreistöckigen Gebäude integriert. Im Erdgeschoss befanden sich neben den grossen Wachstuben, auch Stallungen für Pferde und Wagen. Die Aussenfassade bestach mit dem eingeschnittenen Tor, weiten Fenstern und schön verarbeiteten Quadern. In der Nähe des Tores befand sich ein weiteres, längliches Gebäude - das "Laboratorio degli armaiuoli e falegnami", welches als Unterhalts- und Reparaturwerkstatt für Waffen und Einrichtungen fungierte. Noch heute sind in den sieben Räumen, nebst den wuchtigen Tonnengewölben, die Kamine für die Schmiedearbeiten zu sehen.
werkstatt
Die Unterhalts- und Reparaturwerkstatt der Festung
Foto aus dem offiziellen Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Vorbauten
Einige der so genannten "Risaltos", welche die Artillerie aufnahmen.
Foto aus dem offiziellen Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Die Vorbauten (Risalto) der Anlage wirken wie riesige Stufen und wurden an der französischen Seite der Anlage errichtet. Diese Bollwerke - deren 28 an der Zahl - wirken wie riesige Stufen einer Titanen-Treppe. Jedes dieser Bauwerke misst zwischen 20 und 28m in der Breite und ist mittels Rampen und Treppen mit dem nächsten verbunden. Der jeweilige Höhenunterschied zwischen den einzelnen Bollwerken beträgt - je nach Hangneigung - zwischen 3 und 13 Metern. Die so bezeichneten Vorbauten beginnen zuunterst an der Burg San Carlo und ziehen sich bis zur Burg Tre Denti; also über einen Drittel des Berges Orsiera hinauf.
Diese Vorbauten dienten dazu die massive Artillerie der Festung aufzunehmen, bzw. diese zu schützen. Im Jahre 1790 gab es beispielsweise in der gesamten Garnison - welche 1750 Personen beherbergte - 117 Geschütze und 280`000 Geschosse (Bomben, Granaten, Kugeln aus Eisen und Gusseisen).
Sechs der Vorbauten verfügten über bombensichere Kasematten, die restlichen 22 waren gegen oben offen und wurden mittels 4 Metern hohen Mauern geschützt.  Die oberen Kasematten verfügen heute noch über zwei Geleise, mittels derer die Mannschaft die Kanonen verlegen konnte. Jede Kasematte verfügte zudem über zwei weitere Räume; einen für den Unterhalt der jeweiligen Artillerie, sowie einen Lagerraum für genügend Munition, um damit ein dreitägiges Feuergefecht durchzustehen.
Die Bedeckte Treppe (Scala Coperta) ist ein ausgeprägtes Merkmal dieser Festung. Die Treppe - welche innerhalb der grossen Mauer verläuft - zählt 3`996 Stufen, ist 2.10m breit, 2.35m hoch und beinahe zwei Kilometer lang. Sie führt von der Burg San Carlo, bis hinauf zur Feldschanze San Antonio - innerhalb der Burg Delle Valli.
Die Treppe überwindet dabei einen Höhenunterschied von 530 Metern. Die Beleuchtung erfolgte über enge Öffnungen, welche auch die Belüftung sicherstellten. Da die Treppe beinahe die gesamte Festungsanlage durchlief und somit bei einem allfälligen Einbruch eines Angreifers einen möglichen Schwachpunkt darstellte, wurden fünf Zugbrücken eingebaut, welche einzelne Abschnitte unterbrechen und somit blockieren konnten. Die Zugbrücken konnte in der Vertikale angehoben werden und gaben dadurch einen sich darunter befindlichen 5 bis 6 Meter breiten Wassergraben frei. Die sich in der Mauer befindliche - und damit für den Gegner nicht einsehbare - Treppe hatte eine wichtige strategische Funktion, konnten doch dank ihr, unbemerkt Truppen innerhalb der Festung verschoben werden.
In der Nähe der Burg Tre Denti gibt es auch noch eine zweite längere Treppe, welche 300 Meter lang ist und 2`500 Stufen aufweist. Sie verläuft aber oberirdisch und hatte den Zweck die einzelnen Batterien und Feldschanzen mit der Burg Tre Denti zu verbinden.
Treppe
Innenansicht der Scala Coperta
Foto aus dem offiziellen Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Skizze der Burg San Carlo:
festungsplan
Übersichtsplan des Forts San Carlo
Auszug aus dem Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Die Burg Tre Denti:
Diese Burg steht auf einem steilen Felsrücken - auf 1`400 Meter ü. Meer. Schon im 17. Jh. gab es an dieser Stelle eine französische Feldschanze, welche von Marschall Nicola Catinat geplant wurde, um das Verteidigungssystem der Festung Mutin zu verstärken.
Nach dem - im Jahre 1713 - geschlossenen Vertrag von Utrecht, wurde der savoyische Ingenieur Giulio Cesare Bessone als erster mit dem Bau, resp. Ausbau der Burg Tre Denti beauftragt. Er wollte die bestehende Festung vergrössern und begann mit der Planung des Schilderhauses (Garitta del Diavolo), da sich der ausgewählte Felssporn als hervorragender Aussichtspunkt anbot. Dieser Felskopf ist gut 20 Meter hoch und auch heute nur über eine steile schmale Treppe erreichbar.
Die Bezeichnung des Schilderhauses leitet daher ab, dass das Wachhaus bei regnerischem, windigem Wetter, oder bei Schneefall, ein grausamer und sehr exponierter Ort gewesen sein soll.
Die Ausbauarbeiten an der Burg dauerten bis ca. 1730, als die Burg in die Gesamtanlage integriert wurde. Die Burg wurde auch mit einigen Batterien bestückt, sowie mit den notwendigen Infrastrukturbauten versehen; ein Quartier für die Soldaten, sowie eines für die Offiziere, ein Lager und ein Pulverhaus, zudem ein niedriges Gebäude das eventuell für die Viehhaltung benutzt worden sein könnte. Weiter wurde ein eigenes Wasserreservoir und eine dazu gehörige unterirdische Wasserleitung erbaut. Diese Wasserleitung ist ein Meisterwerk für sich. Sie misst 130cm in der Höhe und 80cm in der Breite und weist eine Länge von 424 Metern auf. Sie fasst ihr Wasser aus einer immer aktiven Naturquelle und führte unterirdisch direkt in die Burg Tre Denti. Über eine Verbindungsleitung wurde ein weiterer Kanal gespiesen, der entlang der bedeckten Treppe talwärts führte und so auch der Burg San Carlo ihr kühlendes Nass
spendete.
Die Burg verfügte über einen durch eine Wachmannschaft geschützten Seitenausgang (Uscita del Soccorso), der auf die piemontesische Seite führte. Dieser Ausgang wurde durch eine Zugbrücke gesichert und war innerhalb der Burg nur durch einen Tunnel zu erreichen.
Garitta del Diavolo
Das Schilderhaus (Garitta del Diavolo)
Auszug aus dem Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Die Batterien und Feldschanzen:
Zwischen der Burg delle Valli - zuoberst auf dem Berg, sowie der Burg Tre Denti, wurden innerhalb der durchgehenden Mauer, weitere Militärische Bauten errichtet um das Verteidigungssystem zu verstärken. Zum einen die Batterien Dello Scoglio und Dell'Ospedale, sowie die Feldschanzen Santa Barbara und Delle Porte. Diese Bauten waren eher kleinerer Natur, aber strategisch sehr günstig gelegen. Durch ihre Existenz sollten etwaige Angriffe auf die Festung - im Mittelbereich zum Erliegen kommen.
Die Batterie Dello Scoglio ist die erste gleich nach der Burg Tre Denti. Sie verfügte über drei Geschützstellungen über Tag, sowie ein einfaches Gebäude, das als Lager für die Munition benutzt wurde. Durch ein spezielles mit Glas ausgestattetes Fenster konnte von hier aus auch Leuchtzeichen an eine andere Batterie - welche 10km entfernt gelegen war, gegeben werden.
Die nächste Geschützstellung - die Feldschanze Santa Barbara, befindet sich auf 1`550 Meter ü. Meer. Sie hat die Form eines Pyramidenstumpfes, ihre Aussenmauern sind leicht geneigt und sechs Meter dick! Nur die südliche Fassade weist Fensterscharten auf - welche von starken Eisengittern geschützt wurden. Das Gebäude verfügt über zwei Stockwerke, im oberen Stock war der Schlafsaal, im Erdgeschoss befanden sich der Speise- sowie ein Lagerraum. Die Munition gelangt über einen Lastenaufzug direkt auf das Dach des Gebäudes, wo sich die Geschütze befanden.
Auch diese Feldschanze verfügte über eine eigene Wasserversorgung - war also relativ autonom. Über einen künstlichen Tunnel war die Feldschanze überdies mit der gedeckten Treppe verbunden. 
Diese Geschützstellung konnte auch über eine künstlich angelegte Strasse - die Strada dei Cannoni, erreicht werden. Diese trägt den Namen, da auf ihr die Kanonen bis zu deren Ende transportiert wurden und weist 26 Kehren auf.
Nachdem Italien im Jahre 1882 einen Dreibund mit Österreich und Deutschland - gegen Frankreich, einging, wurde die Festung Fenestrelle nochmals verstärkt. Die Festung wurde um zwei weitere Vorposten erweitert - die Burg Serre Marie, sowie die Wachstube Falouel. Gleichzeitig wurden auch die Geschützstellungen Santa Barbara und Delle Porte ausgebaut und mit Einrichtungen sowie Aufzügen für schwere Kaliber versehen.
Die Feldschanze Delle Porte (1`680M.ü.M.) ist ähnlich wie die von Santa Barbara, allerdings ein wenig grösser. Auf der östlichen Seite steht das Pulverhaus, welches eine Grundfläche von 36m2 aufweist und über einen separaten Zugang von der
gedeckten Treppe her verfügt.
Knapp unterhalb der Burg Delle Valli, befindet sich die Batterie Dell'Ospedale und verdankt ihren Namen, dem sich in der Nähe befindlichen Krankenhaus. Diese Geschützstellung verfügt nur über zwei Feuerstände, sowie einen - sich in der Verbindungsgalerie zur gedeckten Treppe befindlichen - Raum, für die nötige Munition. Diese Batterie verfügte über keine Unterkünfte, da sich die Burg Delle Valli in unmittelbarer Nähe befand.
Zugbrücke
Die Zugbrücke welche den Zugang zur Feldschanze Santa Barbara von der "Kanonenstrasse" her ermöglichte.
Auszug aus dem Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo




Santa Barbara
Die Feldschanze Santa Barbara.
Auszug aus dem Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Die Burg Delle Valli:
Die Arbeiten zur Festung Fenestrelle begannen zuoberst auf der Spitze des Berges Pinaia - auf 1`780 Meter ü. Meer. Zuerst wurden die Feldschanzen Elmo und Sant'Antonio erbaut. Im 19. Jh. wurden diese beiden durch die Feldschanze Belvedere erweitert. Diese drei Anlagen wurden dann als Burg Delle Valli bezeichnet.
Als erstes wurden Baracken für die Mannschaften erbaut, sowie die Wasserleitung aus Lärchenstämmen (Bornelli) erstellt. Danach begannen die Bauarbeiten an den Befestigungen und Anlagen (travagli di rocco). Alleine schon das Heranschaffen der Baumaterialien war eine logistische Meisterleistung und bedeutete eine grosse Qual für die Arbeiter. Die ganze Burg ist von tiefen Gräben eingeschlossen und wird durch dicke Mauern, Querträger und Bastionen geschützt. Die Anlage galt deshalb und aufgrund ihrer Lage als uneinnehmbar. Wegen der beengten Platzverhältnisse waren die meisten Gebäude aneinandergebaut. Der Militärdienst in diesem Bollwerk  war aufgrund der Enge und der exponierten - der Witterung ausgesetzten Lage sehr hart und dauerte in der Regel drei Jahre!
quartiere
Die Mannschaftsquartiere der Feldschanze Belvedere.
Auszug aus dem Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
königstor
Das "Königstor" zur Burg Delle Valli - auch Tempelchen genannt.
Auszug aus dem Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Die Feldschanze Belvedere ist die grösste der drei Anlagen. Sie ist mit der gedeckten Treppe und über eine Zugbrücke mit dem "Königstor" der Burg verbunden. Mittels drei weiteren Zugbrücken war die Feldschanze auch mit der Schanze Sant'Antonio verbunden.
Die Zugbrücke zum Königstor wurde aus drei Teilen gebildet. Die Stege waren aus Lärchenholz erbaut und auf zwei hohen Mauern befestigt, deren 10 Meter hohe Reste noch heute im unteren Graben zu sehen sind. Der schwere Schwinghebel der den Mechanismus bediente, ist noch heute an seinem Ort und kann besichtigt werden. Aufgrund der klassischen Bauelemente (Lisenen, Hauptgesims, dreieckigem Giebel) wurde das Königstor auch "Tempelchen" genannt. Innen über dem Tor wurde die Bezeichnung "Forte Valli, quota 1727m" in den Rahmen geschnitzt.
Neben dem Königstor gibt es noch das Pulverhaus "San Carlo alle Valli", sowie die dreistöckige Wachstube. Die Anlage des Pulverhauses entsprach in etwa jener des Pulverhauses "Sant'Ignazio" in der Hauptburg San Carlo. Alleine die Dachträger aus Lärcheholz weisen einen Querschnitt von 30 x 30cm auf.
Hinter dem Pulverhaus gibt es drei Quartiere. Jedes dieser Gebäude verfügt über drei Etagen, sowie zwei Kellergeschosse. In den oberen Stockwerken waren die Unterkünfte für die Soldaten. Die Offiziere waren alle im dritten Gebäude untergebracht, welches zusätzlich über drei wunderbare Balkone verfügte. In den unteren Etagen befanden sich die Lager für Stroh, Heu, Holz, sowie die benötigten Lebensmittel. Zudem befanden sich hier auch die Küchen, die Speisesääle und zwei Wasserreservoirs. Die Reservoirs waren autonom und weisen beachtliche Ausmasse auf. Das eine hat eine Grundfläche von 5.65 x 5.30 Meter und fasst 100`000 Liter, die Masse des zweiten betragen sogar 12.30 x 5.30 Meter und mit einer Höhe von 4.30 Meter hatte es ein Fassungsvermögen von 280`000 Liter.
Weiter gibt es noch eine kleine, aber sehr schöne Kapelle mit einer barocken Fassade, welche mit Ornamenten aus gelbem Granit versehen ist. Ebenfalls noch gut zu sehen ist die lange und sehr steile Treppe "Scala delle Traverse", welche ihren Namen von den drei grossen Mauern hatte, die sie schützten.
Die Feldschanze Belvedere verfügte über 20 Geschütze, von welchen sieben in Kasematten untergebracht waren. Die restlichen 13 Geschütze befanden sich an Artilleriestellungen über Tag.
Die Feldschanze Sant'Antonio ist deutlich kleiner als Belvedere und besteht aus einem Gebäude, welches ein zweistöckiges Pulverhaus, sowie acht kleinere Räume beinhaltete. Auf dem Dach der Feldschanze befanden sich zwei Mörser zur Verteidigung.
Die Feldschanze Elmo ist ähnlich wie Sant'Antonio, allerdings etwas grösser. Die Bezeichnung der Schanze leitet sich aus dem Umstand ab, das Elmo wie ein Helm die ganze Festung schützte. Das Gebäude verfügte über fünf - mit starken Eisengittern, geschützte Fenster, sowie über ein kleines Tor, zu dem man über eine kleine Terrasse gelangt. Dieses Tor ist der einzige Zugang zu dieser Anlage.
Die Feldschanze verfügte zudem über einen vorgelagerten Beobachtungs- punkt, ein Munitionslager, sowie Stallungen für die Lasttiere. Die Festung endet mit einem Maschinengewehrstand und der wunderbaren Brücke "Ponte Rosso". Im Zentrum der Brücke stehen zwei Pilaster, zwischen denen eine Eisentüre eingelassen ist. Die Spitzen der Pilaster wurden mit zwei Kanonenkugeln versehen, die als Zeichen der Wehrhaftigkeit jeden Angreifer beeindrucken sollten.
Im 19. Jh. wurden in Elmo auf der westlichen Seite, sieben Kasematten erbaut um die neuen Kanonen zu schützen, mit welchen die Anlage bestückt wurde. Sechs dieser Geschütze orientierten sich zur Strasse hin und eines - welches sich auf 1`783 Metern befindet, deckte den Bereich nach Pra Catinat ab.
Weiter gab es im Norden und im Osten der Feldschanze Elmo weitere 10 Geschützstellungen über Tag, welche das Gebiet nach Bassa Val Chisone, sowie nach Pra Catinat hin abdeckten.
Ponte Rosso
Die Brücke "Pone Rosso", welche die Burg Delle Valli mit der Strasse Pra Catinat verband. Unter dem Mittelpfeiler befindet sich eine kleine Minenkammer - von welcher aus die Brücke im Bedarfsfall hätte gesprengt werden können.
Auszug aus dem Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo
Die Feldschanze Carlo Alberto:
Im Jahre 1836 beschloss die Obrigkeit des Pionierkorps, die endgültige Schleifung der alten Festung Mutin. Nachdem diese beinahe ein Jahrhundert in piemontesischem Dienst gestanden hatte, war sie nicht nur veraltet sondern teilweise auch einsturzgefährdet. Das Pionierkorps beschloss die Festung Mutin durch eine militärische Struktur zu ersetzen, die am Hangfuss den Schutz des Tales weiter verbessern sollte.
Die Feldschanze Carlo Alberto - die den Namen des savoyischen Königs trug - bestand am Anfang aus zwei kleinen, miteinander kommunizierenden Gebäuden. Die beiden Gebäude befanden sich an strategisch wichtiger Lage, links des Baches, resp. neben der Königsstrasse (heutige Staatsstrasse).
Nur ein Teil dieser beiden Gebäude ist heute noch sichtbar. Dasjenige Gebäude welches heute noch existiert, weist einen viereckigen Grundriss auf. Die Aussenmauern sind leicht nach innen geneigt und die Anlage verfügt über fünft Stockwerke, wovon zwei Kellergeschosse. Die Räume hatten alle eine Gewölbedecke und waren für damalige Verhältnisse bombensicher. Die Feldschanze war mit etlichen Geschützen - elf auf jeder Seite der Strasse, ausgestattet, war ihr eine beeindruckende Feuerkraft verlieh.
Das zweite Gebäude welches bestanden hatte, wurde von der italienischen Division Serafino im Juli 1944 zerstört um den Vormarsch der Deutschen aufzuhalten. Jene Anlage hatte vier Etagen und eine rechteckige Grundform. Das Gebäude kontrollierte direkt die so genannte Königsstrasse; eine Zugbrücke und eine Eisenfalltüre vermochten den Durchgang zu blockieren.
Die Feldschanze verfügte ausserdem ebenfalls über ein eigenes Pulverhaus, welches eine Grundfläche von 24m2 bedeckte. Es stand in der Nähe des Grabens, welcher sich bis hinauf zur Burg San Carlo hinzog. Die Feldschanze Carlo Alberto war durch einen Schützengraben (Tagliata) - welcher noch heute existiert, mit einer alten Burg (Chateau Arnaud) verbunden. Im 16. Jh. war diese Burg der Sitz des Vogtes, der im Land Gericht abhielt. Später wurde die Burg dann verlassen und von den Piemontesen als Taubenschlag (Colombaia) genutzt.
Die Verbindung zwischen der Feldschanze und der Burg existiert auch heute noch. Der Weg welcher diese Verbindung herstellt, führt zudem zur Strasse welche sich zum Königstor der Burg San Carlo hinzieht. Am Punkt wo die beiden Strassen zusammentreffen endet auch ein Tunnel (Roca Furà). Dieser Tunnel wurde aus dem Felsen gehauen und hat eine Länge von mehr als 50 Metern. Die Schanze Carlo Alberto befindet sich heute in Privatbesitz.
Carlo ALberto
Die Überreste der Feldschanze Carlo Alberto.
Auf der rechten Seite die heutige Staatsstrasse.
Auszug aus dem Festungs-Führer der Associazione Progetto San Carlo


Übersichtskarte der Festung Fenestrelle:
Plan Fenestrelle
Übersichtskarte der Region:
karte piemontAnfahrt zur Festung Fenestrelle:

Auf beliebiger Route nach Turin. Von Da in südwestlicher Richtung nach Pineroto/Sestriere. Etwa eine Stunde Fahrt von Turin aus.
Oder über den Fréjus-Tunnel von Frankreich her, dann ins Val Chisone und Richtung Turin fahren.


Einkehr:
Im Ristorante "I Dragoni Rossi" in Fenestrelle an der Via Umberto I.

Unterkünfte in der Gegend:

In Sestriere, oder im Tal selber in einem der vielen kleinen Hotels.

Tip:
Von Fenestrelle aus über den Col de Finèstre, nach Susa und von da aus weiter nach Turin. Ein verwegener Ritt auf einer abenteuerlichen Schotterstrasse über einen 2`176m hohen Pass. - Unbedingt ausprobieren! :-)



Karte von ViaMichelin
© Seitenlayout  by Reinhard Dietschi, im Januar 2005
Der  Text stammt aus dem offiziellen Festungsführer der  Associazione Progetto San Carlo. Die Fotos stammen aus verschiedenen Quellen. Zum Teil ebenfalls aus dem Festungsführer, von der Homepage der
Gemeinde Fenestrelle und von privaten Fotographen. Vielen Dank den fleissigen Autoren und Fotographen, die all diese Informationen und Bilder zusammengetragen haben!

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