4.2.0. Eine kleine Einführung in die "Burgen-Geschichte"
Hauptseite
zurück zu 4. Kultur & Geschichte
zurück zu 4.2. Burgen, Schlösser und Ruinen
Allgemeines:

Unter dem Begriff Burg ist grundsätzlich eine hoch- und spätmittelalterliche Wehranlage zu verstehen, die gleichzeitig den Angehörigen der Oberschicht als Wohnsitz diente, als auch den Mittelpunkt eines herrschaftlich organisierten Güter- und Rechtsverbands, sowie eines Wirtschaftsbetriebs bildete. Mit ihren Bauformen repräsentierte die Burg sowohl den Stand, als auch die Macht und den legitimen Herrschaftsanspruch der Besitzer. In den lateinischen Quellen werden solche Anlagen meist als "castrum", seltener als "castellum", "fortalicium" oder "munitio" bezeichnet. Neben den Begriff Burg entstanden ab dem 13. Jh., die Synonyme Schloss, Haus oder Feste. Vom 15. Jh. an verband sich der Begriff Schloss immer häufiger mit bestimmten Burgnamen (z.B. Schloss Wildenstein). In der modernen Fachterminologie bedeutet die Bezeichnung "Burg" den militärischen Wehrbau, jene vom "Schloss", den neuzeitlichen Herrensitz ohne ausgesprochenen Wehrcharakter.

burg payersberg
Bild der Burg "Payersberg" oberhalb Nals im Südtirol
Foto aus Hanspaul Menara`s Buch "Südtiroler Burgen"
Forschungsgeschichte:
belagerte burg
Zwischen dem 10. und dem 15. Jh. sind im Gebiet der Schweiz ca. 2'000 Burgen entstanden. Nicht alle existierten gleichzeitig, manche wurden verlassen, bevor andere errichtet wurden. Die intensivste Bautätigkeit fällt in das 13. Jh. Nach 1350 erfolgten nur noch wenige Neugründungen. Die Errichtung von Burgen ist aufs engste mit dem Prozess der jeweiligen Herrschaftsbildung verbunden. Als Zentren herrschaftlicher Güterkomplexe übernahmen die Burgen vom 10. Jh. an die Funktion der frühmittelalterlichen Herrenhöfe (Fronhöfe). Letztere wurden oft durch Burgen abseits der dörflichen Siedlungen ersetzt, oder direkt zu Burgen umgestaltet.
Früheste Träger des Burgenbaus waren edelfreie und gräfliche Familiengruppen. Vom 12. Jh. an beteiligten sich ländliche und städtische Kleinadlige (Ritter, Edelknechte, Ministerialen) immer häufiger daran, teils selbstständig auf gerodetem Allod, teils als Vasallen und Dienstleute von landesherrlichen Machthabern. Das ursprünglich königliche, später landesherrliche Regal des Befestigungsrechts führte im savoyischen Machtbereich im 13. Jh., in der übrigen Schweiz vom 14. Jh. an zu einer territorialpolitischen Kontrolle des Burgenbaus. Landesherrliche Burgen wurden als Verwaltungszentren, z.T. in umstrittenen Grenzzonen, errichtet und von Vögten oder Kastlanen bewohnt. Manche Burgengründungen erwiesen sich als Fehlschläge und blieben unvollendet (z.B. Loppburg, Gem. Hergiswil NW).
Funktionen einer Burg:

Die hochmittelalterliche Burg ist als Mehrzweckbau zu verstehen, an den ganz unterschiedliche Funktionen gebunden waren. Äusserlich am auffälligsten erscheint die Wehrhaftigkeit. Diese ist rein defensiv zu definieren, im Sinne der Verteidigung der Burgbewohner, ihrer in der Burg verwahrten Habe und der an die Burg gebundenen Herrschaftsrechte. Grössere Burgen dienten in Kriegszeiten auch als Fluchtplätze für die Untertanen. Je nach Topografie, Bauweise, Besatzung und Ausstattung zeichneten sich im Verteidigungswert grosse Unterschiede ab.
Die wenigsten Burgen waren in der Lage, einer systematischen Belagerung standzuhalten. Eine taktische oder gar strategische Beherrschung des Umgeländes ging im Gebiet der Schweiz von kaum einer Burg aus. Grossanlagen, die bedeutende Truppenkontingente hätten aufnehmen können, sind in der Schweiz nur mit Bellinzona und vielleicht mit Saint-Triphon belegt.


Die Wohnfunktion ist dank archäologischen Befunden deutlich fassbar. Auf einer durchschnittlichen Burg lebten 15-25 Leute, bestehend aus der Familie des Burgherrn, dem Gesinde und wenigen Kriegsknechten. Bewohnbare Räume wurden mit offenem Kaminfeuer oder mit Kachelöfen beheizt. Je nach Grösse der Anlage sind Küche, Stube (Kemenate), Schlafkammern und Vorratsräume (Keller) zu unterscheiden.

Die Wehrhaftigkeit diente nicht nur der praktischen Verteidigung, sondern auch der Repräsentation. Grössere Anlagen verfügten über Säle für festliche oder herrschaftliche Anlässe (sog. Rittersäle). Den repräsentativen Palas, der Architektur der Pfalzen nachgebildet, findet man nur auf Residenzen landesherrlichen Machthaber.

In den Schriftquellen nur schwach belegt ist die wirtschaftliche Rolle der Burgen. Grabungsbefunde bezeugen eine intensive landwirtschaftliche, auf Acker-, Garten- und Weinbau, v.a. aber auf Viehhaltung (Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde) ausgerichtete Tätigkeit. Diese diente der Selbstversorgung und der Belieferung von nahen Märkten. In den frühen Grossanlagen entfaltete sich eine handwerkliche Produktion (u.a. Eisengewerbe), die mit dem Aufkommen der Stadt im 13. Jh. verschwand.

Die Burg als Herrschafts- und Verwaltungsmittelpunkt tritt archäologisch kaum in Erscheinung, umso deutlicher in den Schriftquellen. Ausser den grundherrlichen Rechten sind v.a. die Zoll- und Geleitrechte zu nennen. Manche Burgen waren als Zollstätten eingerichtet. Konflikte um Burgen wurden - gerichtlich oder kriegerisch - meist um die an die Burg gebundenen Herrschafts- und Besitzrechte ausgetragen. Diese konnten eine Burg auch dann noch zum Wertobjekt machen, wenn die Anlage bereits zerfallen war.

Sakralfunktionen sind nicht auf allen Burgen nachzuweisen. Burgkapellen, teils als selbstständige Baukörper, teils integriert in die Wohnbauten, gab es nur auf grösseren Anlagen. Vereinzelt erhoben sich Pfarrkirchen im Wehrbezirk grösserer Burgen, v.a. in Rätien, wo frühmittelalterliche Grundlagen anzunehmen sind (z.B. Hohenrätien ). Eine Sonderrolle spielten die als Fluchtplätze für die Bevölkerung konzipierten Wehrkirchen des Spät-MA (z.B. Muttenz) sowie die Niederlassungen der Ritterorden , in denen Burg- und Klosterfunktionen vereinigt waren.

hohkönigsberg
Hohkönigsburg im Elsass. Ansicht von Osten.
Bild aus dem Buch "Burgen" von Joachim Zeune
Namensgebung:
burg soonek
Burg Sooneck in Rheinland-Pfalz.
Fotographie von Georg Dahlhoff
Frühe Burgen trugen oft den Namen der nächsten Siedlung (z.B. Pfeffingen). Auch jüngere, in eine Stadt oder ein Dorf integrierte Anlagen wurden nach dem betreffenden Ort genannt, v.a. in der franz. und ital. Schweiz (z.B. Frauenfeld, Giornico, Miécourt). Typische Grundwörter von zusammengesetzten Burgnamen im deutsch- sprachigen Raum sind -burg, -berg, -fels, -stein, -eck/egg, -au, -see und -werd. Die Grundwörter Burg und Berg bilden alte Synonyme. Bis ins Spät-MA war -burg deutlich seltener als -berg (Frohburg, Kyburg), setzte sich aber vom 15. Jh. an gegenüber -berg immer mehr durch (z.B. Löwenberg zu Löwenburg). Kulturgeschichtlich von grossem Interesse sind die Bestimmungswörter der zusammengesetzten Burgnamen. Viele nehmen auf alte Flurnamen Bezug (Farnsberg), andere auf Elemente der ritterlichen Kultur, auf die Jagd (Falkenstein), auf die Heraldik (Gilgenberg) oder auf gehobenen Lebensstil (Freudenberg, Frohburg). Neben Prunknamen gibt es Namen mit Trutzcharakter (Starkenstein, Wildenstein). Nach grossen Umbauten oder Besitzänderungen konnten Namenswechsel eintreten (z.B. Bello zu Thierstein).
Bauliche Entwicklung:

Entsprechend der kulturräumlichen Gliederung der Schweiz im MA bildeten sich im Burgenbau auffallende regionale Unterschiede heraus, die von natürlichen Voraussetzungen (Landschaft, Baumaterial) mitgeprägt waren. Niederungsburgen auf Inseln, in Sümpfen und künstl. Weihern (Weiherhäuser) finden sich naturgemäss mehrheitlich in flachen Talböden. Im Gebiet der Schweiz überwiegen die auf unterschiedlich geformten Hügeln und Felsen errichteten Höhenburgen. Charakteristisch für Gebirgszonen sind die Höhlen- und Grottenburgen (Casa dei Pagani).

Ausser in topografischen Extremsituationen wurde die Burg durch Annäherungshindernisse (Trocken- und Wassergräben, Wälle) vom Umfeld abgetrennt. Der frühe Burgentyp der Holz- und Erdburg, oft auf künstlich angeschüttetem Hügel errichtet (Motte), findet sich vorwiegend in der Deutschschweiz. Er verschwand hier im Lauf des 12. und 13. Jh., abgelöst durch Steinbauten aus Mörtelmauerwerk, wie sie bereits um 1000 vorkamen (Frohburg). In Rätien und im Tessin, vielleicht auch in der franz. Schweiz, bestand eine Steinbaukontinuität seit der Antike.

Im 11./12. Jh. setzten sich monumentale Bauformen durch, z.T. orientiert an der Pfalzenarchitektur. Aus Stein wurden einerseits die wehrhaften Umfassungsmauern errichtet, hinter denen sich die Wohn- und Wirtschaftsbauten verbargen (Mantelmauerburg), andererseits die oft turmartig proportionierten, zu Wohn-, Wehr- und Repräsentationszwecken dienenden Hauptbauten (Bergfried, Wohnturm, Donjon, Palas). Im savoy. Machtbereich dominierte vom 13. Jh. an der runde Hauptturm. Neben die horizontale Gliederung, die sich im Grundriss abzeichnet, trat die vertikale Raumaufteilung (z.B. Pferdestall im Erdgeschoss, Wohnräume in den oberen Geschossen).
Im Gebiet der Schweiz gehören die meisten Anlagen zur Kategorie der Kleinburgen, die im Wesentlichen aus Ringmauer, Hauptbau und Wirtschaftsgebäuden inner- oder ausserhalb des Mauerrings bestanden hat. Auf den Höhenburgen verwendete man für die Wasserversorgung vom 11. und 12. Jh. an meist Zisternen, seltener Sodschächte. Spezielle Bauformen entwickelten u.a. die Grafschaft von Savoyen mit ihrem eckturmbewehrten Viereck- grundriss (z.B. Grandson, Yverdon) oder die Zähringer mit ihren mächtigen Wohntürmen, die dem nordfranz. Donjon entsprechen. Die Verwendung grosser Findlinge (Megalithmauerwerk) findet sich v.a. im Machtbereich der Grafen von Kyburg. Das für die Stauferzeit charakteristische Buckelquader-Mauerwerk kommt vorwiegend im Molassegebiet des schweiz. Mittellandes vor (z.B. Kasteln-Alberswil, Kyburg). Backstein ist im Umfeld der Manufaktur des Klosters St. Urban (z.B. Burgdorf) und verschiedenenorts in der franz. Schweiz (z.B. Vufflens) anzutreffen.
Um- und Ausbauten des 13. und 14. Jh. dienten vornehmlich der Verbesserung der Wohnqualität und des Verteidungswerts (Flankierungs- und Tortürme, Zwinger, erhöhte Zinnen). Frühe Grossburgen wurden infolge von Funktionsbeschränkungen im Grundriss reduziert (Habsburg) oder infolge Verschiebung des Herrschaftszentrums aufgegeben (Montsalvens).

meersburg kueche
Burgküche der Meersburg in Deutschland
Foto aus dem offiziellen Führer von Hubert Naessl
Die Burgen im Spätmittelalter:
meersburg
Vorplatz mit Brunnen der Meersburg in Deutschland.
Foto aus dem offiziellen Führer von Hubert Naessl

Zwischen dem 14. und 16. Jh. wurden in der dt., ital. und rätorom. Schweiz gegen drei Viertel der bestehenden Burgen verlassen. In der franz. Schweiz blieben sie häufiger erhalten, wurden aber meist zu Schlossbauten umgewandelt. Hinter dem "Burgensterben" des Spät-MA stecken territorialpolitische, wirtschaftliche, militärische und kulturell-gesellschaftliche Ursachen. Kriegerische Zerstörungen - sowie Naturkatastrophen (Erdbeben von Basel 1356) bildeten nur selten den Grund für eine definitive Preisgabe. Die Güter verlassener Burgen wurden oft von den einstigen Versorgungshöfen aus weiter bewirtschaftet. Im Zuge der spät-ma. Territorialbildung wurden die weiter benützten Burgen teils in obrigkeitliche Verwaltungssitze (Landvogteischlösser) umgestaltet, teils in private Landsitze ohne Herrschaftsfunktionen. Auf der Jagd nach Titeln und Wappen übernahmen reiche Stadtbürger abgewirtschaftete Burgsitze. In stadtnahen Weiherhäusern wurden gelegentlich zur Umgehung der Zunftbestimmungen Gewerbebetriebe eingerichtet. Bauliche Anpassungen an die Kampftechnik mit Feuerwaffen erfolgten in bescheidenem Ausmasse - konsequent nur ausnahmsweise (Mesocco, Montvoie, Morges).

Nach dieser ausführlichen Einleitung in die Thematik "Burgen"-Thematik, würde ich Euch nun gerne auf ein paar Streifzüge entführen. Auf den folgenden Seiten habe ich einige lohnende Burgen und Ruinen zusammengestellt. Vielleicht macht es Euch ja gluschtig, das gelesene einmal vor Ort nachzuvollziehen und mit eigenen Augen zu sehen - Na?
© Seitenlayout  by Reinhard Dietschi, im  Januar 2005.
Die Erläuterungen zum Burgenbau stammen aus dem historischen Lexikon der Schweiz , wo ich mich recht herzlich bedanke! Vielleicht gelangt ja jemand über meine Homepage ebenfalls zu diesem umfangreichen Fundus.
Die Fotos stammen aus verschiedenen Quellen - den Fotographen ebenfalls vielen Dank für die tollen Fotos- ich hoffe niemand ist mir deswegen böse.

Zum Seitenanfang

weiter zu 4.1. Burgen im Kanton St.Gallen
(noch nicht aufgeschaltet)